Diesen Brief habe ich am 03.02.2025 an die Geschäftsführung meines Arbeitgebers geschickt. Hier möchte ich Ihn nahezu unverändert veröffentlichen. Lediglich den Namen des Unternehmens habe ich anonymisiert, da die Veröffentlichung dessen nicht abgesprochen ist.
Vielleicht habt ihr auch einen Arbeitgeber den man aktivieren kann. Ihr dürft euch gerne bedienen.
Liebe Geschäftsführung,
was sich in den letzten Jahren in der Welt abspielt, ist beängstigend. Ich meine nicht die verheerenden Kriege in der Ukraine, in Nahost oder die vielen unbeachteten Konflikte. Ich meine auch nicht die Folgen des Klimawandels, die mittlerweile fast täglich unmittelbar erfahrbar sind.
Ich meine das weltweite Erstarken der Faschisten. Man mag sie auch Nationalkonservative, Rechtspopulisten, Rechtsextreme, Neoliberale oder sonst wie nennen; das macht wenig Unterschied. Denn wenn diese Typen z.B. in Ungarn, Polen, Österreich oder den Niederlanden in der Regierung sitzen, ist das schrecklich. Denn man kann beinahe wöchentlich sehen, wie sie Entwicklungen und Entscheidungen in einem demokratischen Europa beeinflussen und torpedieren. Wenn sie in den USA die Regierung stellen, macht ihre schiere Macht gepaart mit ihrer Unberechenbarkeit das Ganze furchterregend.
Aber nun scheint es, als ob sie auch in Deutschland kurz davor sind den Ton angeben zu können. In dem Land, das eine historische Verantwortung durch den Nationalsozialismus hat, und das sich als Vorbild oder Vorreiter in der Welt oder der EU sieht, und das zumindest teilweise auch ist. Indirekt bestimmen sie auch hier schon lange den Diskurs, denn die Themen werden immer destruktiver und die Rhetorik der meisten Parteien wird immer gruseliger. Dabei haben sie bei der letzten Bundestagswahl nur wenig mehr als 10% erreicht. Man mag sich gar nicht ausdenken was in diesem Lande los sein wird, wenn sie ihre Sitzzahl verdoppeln.
Denn es geht ihnen nicht darum ein paar (mehr) Migranten abzuschieben, kriminelle Ausländer auszuweisen oder zu verhindern, dass ein Paar Schwule heiraten. Es geht Ihnen auch nicht darum die Macht wieder in die Hände des „Volkes“ zu legen oder die sog. Eliten mit dem „Volk“ zu vereinen.
Nein, es geht ihnen darum, absolute politische Macht in die Hände der Exekutive zu legen und die wirtschaftliche Macht in die Hände der Konzerne und der Reichen.
Wenn Ihnen das gelingt, dann wird man nicht mehr sagen können, dass die Regierung schlecht ist, ohne dafür eingesperrt zu werden. Man wird nicht mehr öffentlich bessere Bedingungen für Erzieher, Lehrer und Pflegekräfte fordern können, ohne ein Strafverfahren fürchten zu müssen. Man wird nicht mehr 2 Tage krank sein können und trotzdem bezahlt werden. Ein Mann wird nicht mehr zu Hause die Kinder betreuen können, damit die Frau Karriere machen kann. Vielleicht werden Kinder wieder in der Schule geprügelt und elterliche Züchtigung wird wieder der Standard. Vielleicht dürfen Frauen keine Hosen und Männer keine Röcke mehr tragen. Vielleicht werden sie ökologische Landwirtschaft verbieten und Veganer zum Fleisch Essen zwingen. Bestimmt werden sie das ein oder andere davon nicht machen, aber ganz bestimmt werden sie noch andere, nicht auszudenkende Drangsalierungen und Repressionen umsetzen.
Doch zu guter Letzt wird in einem Schulbuch nicht mehr die Wahrheit über den Holocaust, die Evolution und den Klimawandel stehen dürfen.
Letztendlich ist ihr Ziel uns in ein modernes Mittelalter zu katapultieren und sämtliche gesellschaftlichen Errungenschaften der letzten 200 Jahren zurückzunehmen. Sie nennen das links-grüne Ideologie, so als ob uns das alles von „Oben“ aufgezwungen wäre. In Wahrheit aber ist es Freiheitskampf gewesen, der uns diese Errungenschaften gebracht hat. Freiheitskampf von „Unten“! Unsere Eltern und Großväter, unsere Urgroßmütter und Urahnen haben dafür gekämpft.
Es ist das Leben, das wir gerade leben. Wir Alle! Das Leben, das die meisten von uns weiterleben wollen. Und wenn ich daran denke, dass meine beiden kleinen Kinder in einer solchen Welt ihr Leben verbringen müssten, dann bekomme ich solche Angst, dass ich mit meiner Familie flüchten möchte. Aber wohin? Ich bin 44 Jahre alt, bin in diesem Land aufgewachsen, habe an verschiedenen Orten gelebt und meine Familie hier gegründet. Aber ich war immer hier. Flucht wäre das Allerletzte.
Die deutsche Gesellschaft hat teilweise begonnen sich gegen diese Entwicklung aufzulehnen. Gewerkschaften, demokratische Parteien, NGOs, Kirchen und andere Vereinigungen organisieren Demonstrationen und Informationskampagnen. Nur vereinzelt hört man allerdings Unternehmen, die ihre Stimme deutlich erheben. Ich möchte lieber nicht darüber nachdenken, warum das so ist. Aber vor der Europawahl war das schon anders.
Gerade *****, als einer der führenden Bildungsverlage Deutschlands, hat aus meiner Sicht eine besondere Verantwortung und Verpflichtung sich dem entgegenzustellen. "Nie wieder ist jetzt!" heißt es. Und vielleicht wäre es besser gewesen Gestern schon etwas getan zu haben, aber Heute ist es bestimmt noch früh genug, während es Morgen bereits zu spät sein könnte.
Daher wünsche ich mir eine klare Botschaft meines Arbeitgebers. Eine Wahlempfehlung wäre wohl nicht angebracht, aber eine Nicht-Wahlempfehlung mit entsprechender Aufklärung sicherlich sinnvoll. Vielleicht als viel größeres Zeichen sogar zusammen mit unseren Mitbewerbern. Und diese Botschaft sollte nicht nur nach Außen gesendet werden, sondern auch nach Innen, ins Unternehmen. Denn machen wir uns nichts vor: Auch unsere Mitarbeiter werden zumindest zum Teil mit der AFD sympathisieren. Ob nun 10, 20 oder 30% spielt keine Rolle.
Bitte tut euer Möglichstes, um den Lauf der Dinge positiv zu beeinflussen.
Denn ansonsten kann all das, für das ***** steht und stehen möchte, und mit dem ich mich als Mitarbeiter identifiziere, umsonst gewesen sein.
Vielen Dank für euer Engagement!