Donnerstag, 10. Oktober 2019

Verantwortung übernehmen

Als ich an der Reihe war, meinte ich zu den beiden Kontrolleuren, dass das schon ganz schön frech von ihnen sei. "Was denn?" fragte mich der Eine.

Natürlich sind weder S-Bahn noch BVG für alle Ursachen von Verspätungen oder Ausfällen verantwortlich; es sei denn sie heuern Selbstmordwillige an oder beschwören Stürme die dann reichlich Bäume auf die Bahntrassen fallen lassen. Signalstörungen und Schäden am Triebfahrzeug sind allerdings komplett eigen verschuldet und durch jahrelanges Kaputtsparen hervorgerufen.
Zusätzlich war bis vor kurzem der halbe Berliner Osten für ca. 1 Monat lang kaum noch mit der S-Bahn zu erreichen, nur damit das Prestigeprojekt am Ostkreuz - ein über alle Maßen hässlicher und schlecht konzipierter Bahnhof - endlich fertig wird.

Das alles habe ich dem netten Herrn Kontrolleur dann doch nicht mehr erzählt. Mir reichte es ihm lautstark mitzuteilen, wie unzuverlässig sein Arbeitgeber in den letzten Monaten ist, und ass eines trotz allem ja immer zu funktionieren scheint: Die Ticketkontrolle!
Nach seine Antwort "Wir machen hier nur unseren Job!", stieg die Wut in mir auf!

'Jaaaaa, verdammt, das merke ich! Denn wenn ihr ihn nicht machen würdet, würde ich jetzt nicht kontrolliert werden! Und was ist das überhaupt für eine Aussage: "Wir machen hier nur unseren Job!"?
Liegt die Betonung auf NUR? Ist euer Job also so unwichtig wie ich glaube, oder messt ihr ihm nicht ausreichend Bedeutung bei, oder macht ihr ihn nur weil ihr nichts anderes könnt oder euch nichts Besseres eingefallen ist um eure Lebenszeit zu vergeuden?
Oder liegt die Betonung auf UNSEREN? Damit wollt ihr mir also versuchen zu sagen, dass es euer Job ist Tickets zu kontrollieren und nicht das Schienennetz der S-Bahn instand zu halten oder gar Kundenbeschwerden entgegen zu nehmen?!

Niemand macht einfach nur seinen Job, und vor allem auch nicht einfach so. Denn um einen Job zu bekommen muss man mittlerweile eine ganze Menge tun. Je höher qualifiziert umso mehr. Vor allem wird man sich im Vorfeld zumindest ein wenig zusammengereimt haben, was genau die Aufgabe in dem Job ist, und welcher Arbeitgeber dahintersteckt. Und auch als Ticketkontrolleur wird man sich zumindest beworben haben und ein Gespräch mit einem Vorgesetzten oder Vorarbeiter oder Mentor oder Trainer oder sonst irgendjemandem gehabt haben. Spätestens dann wird man auch erfahren haben, für welchen Arbeitgeber man denn gerade seine Lebenszeit und Arbeitskraft spendet. Und genau dann hat man erneut die Chance abzuwägen ob Arbeitgeber und Arbeitsplatz zum eigenen Selbstbild passen. Denn auch als Ticketkontrolleur ist man kein Sklave.
Und als Vorstand oder Geschäftsführer sowieso nicht. Aber genau von diesen Menschen kommt die unsägliche Kultur "Nur seinen Job zu machen". Denn wenn es darum geht einmal gerade zu stehen für den Mist den man verzapft hat, sind diese Menschen ganz schnell beim nächsten Job, den sie dann auch nur machen.