Dienstag, 10. April 2018

Verantwortungsabfall

Tagtäglich werden wir mehr und mehr entmündigt, mal spürbar und mal heimlich, still und leise - je nach Mensch und Sachverhalt. In allen Lebensbereichen geben wir Verantwortung ab, manchmal sogar freiwillig. Man schreibt uns vor was wir wann und wie zu lernen haben, ab welchem Alter wir (wenn überhaupt) rauchen dürfen, bietet uns unzählige Mittel und Hilfen unsere Kontakte und sogar unsere Kommunikation zu pflegen bzw. treffender zu verwalten. Man überwacht uns auf Schritt und Tritt - im Internet, in der U-Bahn, im Auto und sicherlich den ein oder anderen auch zu Hause auf der Toilette. Mit dem edlen Ziel zu verhindern, dass einer von uns auf die fixe Idee kommt ein Böser zu werden um dann Sich und Andere mit Hilfe von 20 Kilo Sprengstoff in Einzelteile zu zerlegen. Oder aber kein U-Bahn Ticket für die Fahrt einzulösen - auch hier je nach Mensch und Sachlage.

Nur beim Thema Mülltrennung sollen wir nahezu eigenverantwortlich das Zepter selbst in die Hand nehmen. Es ist nicht so, dass ich mir und Anderen das nicht zutraue. Schließlich halte ich nachhaltige Abfallverwertung, genauso wie den Klimawandel, nicht für eine "von den Chinesen erfundene" Idee. Ich halte nur die derzeitige Umsetzung der Mülltrennung in Deutschland für falsch und für ein Paradebeispiel wie kapitalistische Verantwortung auf die Gesamtgesellschaft verlagert wird. Und wie mit riesigem Aufwand Symptome bearbeitet werden anstatt die Ursache anzugehen bzw. die Verursacher in die Verantwortung zu nehmen.

Im Prinzip verhält es sich mit der „Müllkrise“ ähnlich wie mit der sog. „Flüchtlingskrise“. Nicht, dass das falsch rüber kommt: Wer in seiner Heimat verfolgt und / oder bedroht wird wegen was auch immer soll bitte herkommen. Und wer einfach keine Lust mehr hat in Tadschikistan, Timbuktu oder sonst wo zu leben und der Meinung ist hier im Reich der „blühenden Landschaften“ sein Glück versuchen zu wollen, der soll das bitte auch gerne tun dürfen. Tausende Deutsche verlassen jedes Jahr ihre Heimat um genau das zu tun, und die wenigsten davon werden hier verfolgt. Allerdings tragen alle Mitglieder der Gesellschaft die Verantwortung für Folgen, die in einer fehlgeleiteten Politik und Gewinninteressen von Konzernen ihre Ursache hat. Während diejenigen die Gewinn machen, Jahr für Jahr mehr Elend und Flüchtlinge auf der Welt produzieren.

Aber zurück zum eigentlichen Thema. Auch wenn man im Westen in der Regel einheitlich von Plastik sprach und man im Osten zumindest schon zwischen Plaste und Elaste unterschieden hat, gibt es heute mehr als 200 verschiedene Kunststoffsorten. Des Weiteren ist Metall nicht gleich Metall - gibt es doch edle und unedle, feste und flüssige Metalle und eine Vielzahl von Legierungen. Beim Papier sieht es nur auf den ersten Blick einfacher aus: Es gibt beschichtetes und unbeschichtetes, bedrucktes und unbedrucktes; nicht jede Pappe ist bunt und ein Löschpapier macht noch keinen Cartoon. Dazu kommen noch verschiedene Glassorten, eine nicht zu bestimmende Menge an Verbundstoffen sowie Produkte in denen alles Mögliche enthalten ist.

Und genau in diesem völlig undurchsichtigen Sammelsurium soll sich Otto-Normalverbraucher auskennen und nachhaltig trennen?! Wobei es nachweislich Menschen gibt, die tatsächlich Schwierigkeiten haben Bio-Müll und Elektroschrott auseinander zu halten?!

Genau da liegt ja eines der Probleme. Ob vorsätzlich oder versehentlich ist da egal, aber 3 Braune im Weißglascontainer sind keine Nazis, ziehen aber ebenso ihr gesamtes Umfeld in den Dreck. Das emsig gesammelte Altpapier in der Plastiktüte und die Batterie im Biomüll sind ebenso gute wie alltägliche Beispiele für falsche Sortierung. Und was geschieht mit diesen Verunreinigungen? Sie müssen nachträglich bereinigt werden, anders kann es nicht funktionieren, oder aber das ganze System ist Bullshit. Warum schmeißen wir dann nicht alles von Anfang an in eine große Tonne und im Nachgang wird dann durch Maschinen sauber getrennt?
Der Mensch hat Roboter geschaffen die im Nanometer Bereich operieren. Es gibt andere Geräte die auch unter widrigsten Bedingungen noch herausfinden können ob das was man durch das Zielfernrohr sehen kann ein Mensch ist oder ein Baum. Scanstraßen finden an Flughäfen jede aus Versehen ins Handgepäck geratene Whiskeyflasche oder auch mal eine Kuchengabel. Aber Plastik von Metall sollen wir selbst unterscheiden. Jeden Tag und nach jedem Einkauf aufs Neue! Warum?

Bezahlen tun wir das Ganze sowieso. Verpackungen werden über den sog. „Grünen Punkt“ entsorgt, der mittlerweile von einer privaten Gesellschaft betrieben wird, die schon mehrfach zünftig die Preise erhöht hat. Die Biotonne und die Restmülltonne werden quartalsweise abgerechnet. Die Entsorgung komplett recyclebarer Stoffe wie Glas und Papier ist zwar umsonst, die Gewinne des Weiterverkaufs landen aber beim lokalen Entsorgungsunternehmen. Darum!

Müllentsorgung ist ein riesiger Markt, den sich wenige „Große“ fein säuberlich in Deutschland aufgeteilt haben und deren Lobby ähnlich mächtig ist wie die Lobby derer die mit Ihren Waffenexporten die Entsorgung von Menschen möglich machen. Und wie in jedem anderen oligopolen Markt wird auch im Müllmarkt mit harten Bandagen gekämpft, auch um jedwede Veränderung im Keim zu ersticken. Da in Italien (und wohl auch in anderen Ländern) dieses Geschäftsfeld durch die Mafia kontrolliert wird, ist das doch auch in Deutschland wahrscheinlich. Nicht? Worin besteht denn eigentlich der Unterschied zwischen der Mafia und einem Großkonzern? Das würde den Rahmen dieses Textes sprengen!

Deswegen ist es mit der Müllvermeidung auch so schwierig. Würden wir weniger Müll produzieren müssten wir auch nicht soviel trennen. Stattdessen wird immer mehr Müll produziert:
Teebeutel die einzeln in Plastikbeuteln stecken, die wiederum in einer Pappschachtel stecken, die wiederum von Plastikfolie umschlossen ist - Käsescheiben die voneinander durch Plastikscheibchen getrennt sind und in einer Plastikschachtel stecken - Zigarettenfilter die zu zehnt in einer Plastikfolie verpackt sind die dann wiederum in einer Pappschachtel stecken – Aller möglicher andere Quatsch, den kein Mensch braucht und der quasi nur für die Entsorgung produziert wurde.
Müll ist Geld und Geld ist Gewinn für Wenige, aber Verlust für die Meisten. In diesem Fall gewinnen auf jeden Fall Verpackungsindustrie und Müllentsorger, verlieren tun aber alle. Mensch und Umwelt. Und wenn wir uns beim Einkauf den Beutel vollmachen klimpert es spätestens beim Gang zu einer der vielen Tonnen im Hinterhof in den Taschen der Gewinnenden.

Einhergehend mit der Mülltrennung wird uns in den letzten Jahren immer mehr eingeredet, dass die Müllvermeidung die ureigenste Aufgabe jedes Einzelnen sei. Das ist sie genauso wenig wie die Müllproduktion.

Solange die Verursacher allerdings weiterhin die Verantwortung von sich abfallen lassen können, werden wir es wohl machen müssen. Denn wer an freiwillige Selbstkontrolle von Unternehmen glaubt der denkt tatsächlich auch dass Deutschland am Hindukusch sicher gemacht wird.